Das „Dao“, Ursprung allen Seins
道
Unter diesem äußerst schwer definierbaren Begriff – Dao heißt wörtlich »Weg« – versteht man das Urprinzip, die Urgewalt, aus der alles Sein, alle Dinge hervorgehen. Obwohl dem Dao gelegentlich auch lebewesenhafte, ja sogar persönliche Eigenschaften zugesprochen werden, ist es in seinem Wesen weder Lebewesen noch Sache, sondern einfach »Urkraft«. Das Dao ist das Urprinzip alles Seins, das den zehntausend Dingen, das heißt allem Existierenden, seine Form und sein Schicksal gibt und sowohl die makrokosmischen wie auch die mikrokosmischen Kräfte in Bewegung setzt.
»Wie alldurchdringend ist doch das Große Dao! Es vermag überall zu wirken. Alle Dinge verdanken Ihm ihre Existenz, und es entzieht sich ihnen nichts, In sein Werk vollendet, nimmt es diese nicht in Besitz. Es kleidet und nährt alle Dinge, agiert jedoch nicht als (deren) Herr. Da es niemand begehrt, kann man es klein nennen. Da alle Dinge zu ihm zurückkehren, es aber dennoch nicht als (deren) Herr agiert, kann man es groß nennen….
So ist also das Dao groß, der Himmel groß, die Erde groß, auch der Mensch ist groß. Im Raume (aller Existenz) gibt es vier Große, von denen einer der Mensch ist. Der Mensch hält sich an die Erde. Die Erde hält sich an den Himmel. Der Himmel hält sich an das Dao. Das Dao hält sich selbst.« LAOZI
Nach der Ansicht des Daoismus ist das Weltall dem Menschen gleich und der Mensch ist dem Weltall gleich. Der Mensch kann all die Macht des Weltalls erwerben, wenn er es versteht, das richtige Mittel, das Dao, den „Weg“ zu finden.
„Dao bedeckt den Himmel, unterstützt die Erde, entfaltet die vier Seiten der Welt, enthüllt die acht Grenzen…. Das Komprimierte wird fähig, sich auszudehnen, das Dunkle wird fähig, hell zu sein, das Schwache wird fähig, hart zu sein… Alles in der Natur ist auch ohne Gewalt in Übereinstimmung mit Dao und wird auch ohne Zuspruch von Glück durchdrungen… Auf Vernunft beruht die Unversehrtheit des gesamten Kosmos. Die Güte des Dao bringt Himmel und Erde in Übereinstimmung, Yin und Yang in Harmonie, stimmt die fünf Urelemente (Feuer, Wasser, Holz, Erde, Metall) untereinander ab…“ HUAINANZI, 2. Jhd. v. Chr.
Das Wesen des Dao symbolisiert Weltharmonie und inneres Gleichgewicht. Erreicht man das innere Gleichgewicht, so wird man der Weltharmonie teilhaftig. Dafür ist es erforderlich, zu lernen, das Qi (innere Energie) zu beherrschen, zu steuern, aufzunehmen und auszuströmen. Das Qi muss sich an einem würdigen Ort befinden. Das bedeutet, man muss sich um seinen Körper kümmern, ihn hüten und entwickeln um ein harmonisches Ganzes zu erhalten. So erreicht man das Verschmelzen des Körperlichen mit dem Geistigen.
Das Bild des Rades ist das Bild des Dao. Das Rad – ein geschlossenes Ganzes – wird zusammengehalten durch eine leere Mitte, die Nabe:
Dreißig Speichen sind vereinigt in einer Nabe. –
An ihren leeren Stellen liegt es,
dass Wagen zu gebrauchen sind.
Ton wird gebrannt und es entsteht ein Krug daraus. –
An ihren leeren Stellen liegt es,
dass Krüge zu gebrauchen sind.
Türen und Fenster werden ausgemeißelt. –
An ihren leeren Stellen liegt es,
dass Zimmer zu gebrauchen sind.
Also: hat man die Fülle für den Zweck,
und hat für den Gebrauch die Leere. [Daodejing]
Das Bild der stetigen Erneuerung im Lauf des Dao ist das der Wurzel. Die Wurzel bleibt verborgen und unbestimmt, aber sie liegt inmitten des Kreislaufes des Werdens und Vergehens all dessen, was hervortritt:
Die Leere erreichen-
das ist das Äußerste.
Die Stille bewahren-
das ist die Kontrolle.
Die zehntausend Dinge,
geschehen eines mit dem andern:
so schau ich darauf, wohin sie sich wenden.
Die Dinge der Welt bestehen in Vielfalt;
sie alle kehren sich wieder ihrer Wurzel zu.
-Das nennt man „Stille“. [Daodejing]
(Bernadett)